Gestalttherapie in Beispielen
Bewusstmachen von Körpersprache
Fiktiver Patient: Herr Muster, 45 Jahre erzählt ganz beiläufig, dass seine Frau neuerdings zweimal in der Woche ins Fitnessstudio geht. Das sei sicher gut, meint er, wenn sie mal rauskomme und ein bisschen abnehmen, wäre ja auch für die Gesundheit nicht schlecht. In dem Moment, in dem er auf dieses Thema zu sprechen kommt, fängt Herr M. an, auf dem Stuhl hin und herzurutschen. Die Finger seiner ineinander verschränkten Hände werden weiss und seine Oberarme zeigen deutliche Anzeichen von Spannung. Als Therapeutin lenke ich Herrn M.’s Aufmerksamkeit auf seine Sitz- und Körperhaltung. Dann fordere ich ihn auf, zu beschreiben, was er da wahr nimmt. Anschließend bitte ich Herrn M. den Druck immer weiter zu verstärken und für eine Weile zu halten. Dabei achte ich auf Veränderungen im Gesichtsausdruck, auf das was Herr M. sagt, oder welche Laute über seine Lippen kommen. Immer wieder spiegele ich ihm meine Wahrnehmung, indem ich sie beschreibe und benenne. Im Laufe der nächsten halben Stunde wird sich Herr M. bewußt, dass die neue Freizeitaktivität seiner Frau bei ihm Verlustängste auslöst. Vielleicht erinnert er sich noch daran, dass ihm seine gerade bewußt gewordene Körperhaltung schon aus Kindertagen bekannt ist. Er verbindet sie mit dem Gefühl, alleine zu Hause zu bleiben. Ich spiele mit Herrn M. verschiedene Möglichkeiten durch, wie er – auf seine heutige Situation bezogen – mit seiner Erkenntnis umgehen könnte. Herr M. entscheidet sich dafür, einmal die Woche ebenfalls Sport zu treiben, aber in einem Sportverein. Einmal die Woche möchte er mit seiner Frau etwas gemeinsam unternehmen. Herr Muster wird das Gespräch mit ihr darüber suchen.
Gestalterische Umsetzung von Sprachbildern
Ein Patientin benutzt hinsichtlich ihrer Lebenssituation das Sprachbild: “Ich sitze zwischen zwei Stühlen”. Der Therapeut fordert sie auf, zwei Stühle auszusuchen. Sie wählt einen Drehstuhl und einen Sessel. Als nächstes soll sie diese nebeneinander stellen. Dann wird die Patientin gebeten sich zwischen die beiden Stühle zu setzen.
In welchem Abstand werden die Stühle stehen? Wird die Patient sich zwischen die Stühle auf den Boden setzen oder in die Hocke gehen? Vielleicht sitzt sie aber auch mit ihrem Gewicht auf dem Sessel und streift den Drehstuhl nur noch mit der anderen Körperhälfte. Welcher Alternative entspricht der Drehstuhl, und welcher der Sessel?
Wenn die Patientin ihre Position eingenommen hat, wird sie gebeten, genau zu beschreiben, wie sie sich fühlt. Sie wird dem Therapeuten sagen, ob und wo im Körper sie sich angespannt fühlt. Vielleicht empfindet sie ihre gewählte Position, z.B. auf dem Boden sitzend, aber durchaus als bequem, fühlt sich aber wie ein kleines Kind zwischen den großen Stühlen.
Im Laufe der Konsultation wird die Patientin unterschiedliche Positionen erleben, u.a. mal ganz auf dem einen, mal auf dem anderen Stuhl. Am Ende der Stunde nimmt sie eine differenzierte Wahrnehmung ihrer Möglichkeiten mit: sich für einen der Stuhl-Alternativen zu entscheiden, dazwischen zu bleiben, aber die eigene Haltung zu verändern, oder aufzustehen und weiterzugehen.